Ich wische. Links, rechts, links.
Mein Daumen ist eine Maschine, ein Metronom der Begierde, abgestimmt auf Mikrobewegungen meines Unterbewusstseins. Ich wische mit der Dringlichkeit eines hungrigen Tieres, das gelernt hat, dass das Futter nicht echt ist, aber trotzdem frisst, weil der Instinkt es verlangt.
Die Gesichter sind austauschbar. Bart. Kein Bart. Lächeln, das nicht bis zu den Augen reicht. Bio: Love adventure, deep convos, gym. Ich wische. Rechts, weil ich müde bin. Links, weil mich das Lächeln an eine leere Tasse erinnert. Rechts, weil ich nicht zu wählerisch sein darf. Dennoch, ich suche. Nach mehr als nur den Pixeln und Lichtreflexe. Ich will, wie Wolfgang, was die Welt im Inneren zusammenhält.
Ein Match.
Mein Herz schlägt kurz schneller. Die Droge wirkt. Die Bestätigung tropft in mein Gehirn wie warmes Öl. Er schreibt. Hey. Ich hasse Hey, aber antworte trotzdem. Wir navigieren durch eine Konversation, die vorher schon geführt wurde. Was machst du so? Ich schreibe eine Antwort, die charmant, aber nicht fordernd ist. Die ein Echo von dem ist, was ich wirklich sagen will.
Ich möchte sagen: Ich suche nichts. Ich suche alles. Ich demonstriere meine Freiheit und plane hier meine Familie. Ich biete Berührung gegen Se*x. Ich will, dass Du dich interessierst, aber nicht in mich eindringst. Ich will mich fallen lassen, den Rest regelt mein Profil.
Ich schreibe: Haha, nicht viel, du?
Wir verabreden uns. Das ist der Punkt, oder? Der Algorithmus arbeitet nicht für mich, er arbeitet mit mir. Er weiß, dass ich mich anpasse, dass ich in Formen schlüpfe, dass ich mein eigenes Verlangen so weit glätte, dass es in jede Schablone passt. Mein Profil, geschrieben von meinem Freund AI, lässt mich vergessen, dass ich zum Produkt werde – sexy, aber nicht zu offen. Von allem ein bisschen, nicht zu viel – eine Dosis eben.
Er ist nett. Ich bin nett. Das Gespräch ist ein Ballspiel nach den Regeln der Nettikette. Kein Risiko, keine Kanten. Ich lache an den richtigen Stellen. Er fasst mir beiläufig an den Arm. Mein Körper reagiert, aber nicht mein Herz. Ich frage mich, ob das ausreicht.
Es sollte ausreichen.
In seinem Bett riecht es nach Waschmittel und einem Leben, das nicht meines ist. Ich lasse ihn meine Hüften greifen, lasse ihn denken, er hat mich verführt. Die Art, wie ich mich bewege, ist einstudiert, eine Choreografie aus Pornoszenen und Ex-Freunden, die mich mochten, weil ich so unkompliziert und spielerisch war. Ich denke an das Leuchten meines Handys auf dem Nachttisch. Ich denke an die Matches, die noch offen sind.
Seine Hand wandert über meinen Körper, als würde er nach etwas suchen. Vielleicht tut er das auch. Vielleicht sind wir beide nur Code, zwei Zeilen in einem Programm, das uns längst durchschaut hat. Zwei Objekte, die aus einem Match Geschichte schreiben wollen – jeder seine eigene, eine Kurzgeschichte. Für einen Moment dürfen wir jemand für jemanden sein, oder?
Ich komme nicht, aber tue so.
Er zieht sich seine Unterhose an und schläft ein. Ich starre an die Decke. Ich spüre das Phantom meines echten Verlangens, ein Schatten in meinem Bauch, eine Form, die nie ganz in den Algorithmus passt. Ein Phantom, das sich seinen Weg sucht.
Ich wische. Links, rechts, links.
Mephisto grinst.


